Keine Wunder, sondern Arbeit
VON VOLKER KOCH
Der Dirigent an der Seitenlinie: Khalid Khan hat den TV Korschenbroich zum
bislang zweitbesten Team der Rückrunde in der Zweiten Liga Süd gemacht.
NGZ-Foto: H. JazykBusiness News
Vielleicht sollte sich Jupp Grimm ja mal auf eine Tasse Kaffee
mit Reinhard Saftig treffen. Der Manager des Handball-Zweitligisten TV
Korschenbroich und sein Kollege beim Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld
hätten sich viel zu erzählen.
Während Saftig nach dem vierten sieglosen Punktspiel in Folge seit dem
Trainerwechsel darüber nachgrübelt, ob es richtig war, Ernst Middendorp durch
Michael Frontzeck zu ersetzen, dürfte Jupp Grimm eine ganz andere Frage
umtreiben: „Was wäre, wenn . . .“
Was wäre, wenn Khalid Khan schon früher die Verantwortung beim Aufsteiger
übernommen hätte? Der „Handballverrückte“ (Grimm über Khan) hatte bei seinem
Amtsantritt „keine Wunderdinge, aber harte Arbeit“ versprochen. Die scheint er
zu leisten, das zeigen alleine die Zahlen: Als Olaf Mast Ende November zwei Tage
nach der 25:28-Heimniederlage gegen den TV Bittenfeld die Segel strich, war der
TVK mit 2:24 Zählern abgeschlagen Tabellenletzter, betrug der Abstand zum
rettenden 15. Tabellenplatz sechs, zum damaligen Gegner sogar zwölf Punkte.
Jetzt, einen Heimsieg im Nachholspiel gegen den EHV Aue vorausgesetzt, stünden
die Korschenbroicher, wenn auch nur aufgrund des besseren Torverhältnisses, auf
eben diesem 15. Tabellenplatz. Und der Abstand zu den schwächelnden
Bittenfeldern ist auf fünf (Minus-)Punkte geschrumpft.
Mehr noch als ein Blick auf die Zahlen belegt ein Blick aufs Spielfeld, was sich
in jenen drei Monaten verändert hat beim TVK. Khan übernahm eine Mannschaft, der
der Glaube an sich selbst abhanden gekommen - oder der ihr genommen worden war.
Wie anders die Korschenbroich jetzt auftreten, zeigte der 33:31-Sieg bei Tuspo
Obernburg, das zuvor zuhause nur gegen die HSG Düsseldorf verloren hatte.
Da zirkelt Torhüter Tobias Kokott, bis zur Suspendierung von Henning Wiechers
ohne Einsatzchance, den Ball an seinem zu weit vor dem Kasten stehenden Kollegen
Milos Hacko vorbei zum von 12:14 in die Maschen. Und da behalten die Gäste auch
die Nerven, als Otto Fetser mit dem 31:31 110 Sekunden vor Schluss der erste
Gleichstand für die Obernburger seit dem 19:19 (39.) gelingt. Da war schon eine
gehörige Portion Coolness und Abgebrühtheit dabei - Eigenschaften, wie man sie
gemeinhin bei einem Tabellenletzten gerade nicht erwartet. „Da hat sich das Geld
für Lothar Linz schon bezahlt gemacht“, freute sich Geschäftsführer Dr. Peter
Irmen - der Sportpsychologe, der unlängst noch die Dressurreiter des
Kreispferdesportverbandes beriet, hatte sich auf Bitten des Trainers mit den
TVK-Akteuren zwei Mal zusammengesetzt.
Fast schon ein Treppenwitz die letzten Spielsekunden: Der TVK hat Ballbesitz,
nachdem die Schiedsrichter 16 Sekunden vor Schluss auf Stürmerfoul gegen Philipp
Reuter entschieden hatten. Obernburg versucht, mit offener Manndeckung an den
Ball und damit noch zum Unentschieden zu kommen. Und dann spielt ausgerechnet
Jörn Ilper den tödlichen Pass, den David Breuer zum 33:31-Endstand verwandelt -
ausgerechnet jener Jörn Ilper, dessen Fehlpass in vorletzter Sekunde den
Obernburgern im Hinspiel den Siegtreffer beschert hatte.
Der Ex-Gummersbacher ist das beste Beispiel für die Entwicklung beim TVK: Im
ersten Saisondrittel stand er wie Falschgeld in der Halle, vom (damaligen)
Trainer in Abwehr und Angriff auf die falsche Position gestellt. Jetzt spielt
Ilper das, was er kann: einen starken Part im Innenblock und einen soliden Part
am Kreis, von wo er in Obernburg sieben Treffer erzielte. Und weil er sich nicht
mehr so intensiv mit sich selbst beschäftigen muss, kann er das tun, wofür ihn
Jupp Grimm eingekauft hat: die jungen Spieler führen - vielleicht zum
Klassenerhalt.