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Handball-Boom bringt neue Aufgabenstellung
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann zu Gast beim Empfang des GWD-Pools / Gegen Pflichtquote deutscher Spieler
Minden (mt). Das Handballpublikum wird zunehmend weiblicher und jünger, diagnostizierte Frank Bohmann (43), Geschäftführer der Handball-Bundesliga (HBL) GmbH beim Frühlingstreffen des GWD-Pools in den Räumen von AS Sport an der Ringstraße.
Von Hartmut Nolte
Bei den im Pool zusammengefassten 123 Sponsoren der heimischen Bundesliga-Mannschaft saß die Niederlage vom Vortag gegen den TV Großwallstadt (25:32) noch tief und gerade wie diese Niederlage zustandegekommen war, beschäftigte die Gespräche der rund 100 Teilnehmer, die vom Hausherrn Wolfram Rickert und Pool-Vorstand Gerd Buddenbohm begrüßt wurden.
Nachdem im Vorjahr Bundestrainer Heiner Brand Gast dieses Treffens war, präsentierte nun HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann Zahlen, Trends und Prognosen den handballinteressierten Wirtschaftsexperten.
"Handball liegt voll im Trend", verkündete Bohmann unter Hinweis auf die deutschen Erfolge bei der WM und in den Cup-Wettbewerben. In Zahlen aus einer HBL-Meinungsumfrage: 47 Millionen Deutsche über 14 Jahren interessieren sich für Handball, mit 18 Prozent hinter Fußball (55 Prozent) die Nummer 2 bei den Ballsport-Freunden.
Für 14 Prozent ist es sogar die liebste Sportart, weil sie als kämpferisch (59 Prozent), spannend (49), dynamisch (47), unterhaltend (41) und attraktiv (37) angesehen wird. Nur fünf Prozent geben ihr das Attribut "brutal".
Und nicht erst seit dem WM-Erfolg sei der Handball bei den Sportfreunden beliebt: "Vor zehn Jahren hatten wir 600 000 Zuschauer in einer Liga-Saison, jetzt werden es 1,5 Millionen sein," sagte Bohmann. Und die Publikumsstruktur habe sich geändert: "Nicht mehr der ältere Mann, der nach dem Spiel noch gern ein Bier trinkt, sondern zunehmend jüngere Menschen, vornehmlich Frauen, kommen, um einen Event zu suchen, sie wollen Handball erleben,", warb er für ein verändertes Verständnis der Heimspiel-Veranstaltungen.
Ländliche Wurzeln und Trend in die Großstädte
Das wachsende Interesse brauche größere Hallen und verstärke den Trend in die großen Städte. "Wir werden unsere ländlichen Wurzeln nicht verkennen, aber die Großstädte brauchen wir auch," sagte Bohmann in Minden, das gerade im Vorjahr den vergeblichen Versuch gestartet hatte, in großstädtische Hallen auszuweichen.
Größere Hallen (Kölnarena für VfL Gummersbach mit 19 250 Zuschauern), Bördelandhalle Magdeburg mit 13 200), allein sechs mit Kapazitäten für über 10 000 Zuschauer, da kommen die Kampa-Halle mit 4000 und die Kreissporthalle Lübbecke mit 3300 auf den Plätzen 14 und 17 nicht mit.
Dass das direkt etwas zu tun hatte mit den gleichen aktuellen Tabellenständen der beiden heimischen Klubs, will Bohmann nicht so sehen. Er weist auf die Verteilung der Gelder aus den Fernseh-Vermarktungsrechten hin, die unter den 18 Bundesligisten verteilt werden. Paritätisch, wie Bohmann betont, was bei den Zuschauermagneten der Liga nicht unbedingt auf Gegenliebe stoße.
In Kürze soll der neue Vertrag zwischen der HBL und ihrem TV-Präsenter Sportdigital und den offenen TV-Anstalten und ihrem Vermarkter Sportfive stehen. Bohmann rechnet mit einer Verdoppelung der Einnahmen. Bisher wurden 500 000 an die Liga-Klubs verteilt. Nach WM und den Kluberfolgen auf europäischer Ebene sei das Interesse groß, Handball live zu guten Sendezeiten zu zeigen. 2005, also vor der WM, wurden 370 Stunden Handball von 670 Millionen Fans gesehen. "Unser Ziel ist eine kontinuierliche und umfassende Berichterstattung," sagte Bohmann.
Mehr Ligaspiele in der Woche
Geregelt sei, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender zwei bis drei Partien pro Spieltag zur vollen oder teilweisen Übertragung aussuchen, das DSF dann sich sein Spiel greifen kann und Sportdigital für seine Übertragung via Internet aus den anderen Partien auswählen darf.
Problem für die Vereine dabei ist, das räumte Bohmann ein, die Verteilung auf mehr Wochentage. Nicht zuletzt deshalb, weil nun dank der Erfolge neun deutsche Ligaklubs in den Cup-Wettbewerben vertreten sind und dies zu lukrativen Fernseh-Zeiten. Jede TV-Minute heißt bessere Vermarktung der Werbung. Für die "Kleinen" wie GWD aber: Mehr Mittwoch und Ausweichen auch mal auf Dienstag oder Donnerstag. GWD-Manager Horst Bredemeier zeigte sich über diese Entwicklung nicht besonders glücklich: An den Wochentagen kommen weniger Zuschauer in die Kampa-Halle. Bredemeier sieht zwar die wirtschaftlichen Unterschiede der Liga ("Kiel mit Etat von sechs Milli-onen, wir mit zwei noch nicht gesicherten Millionen"), aber GWD sei für die neue Saison "ganz gut aufgestellt".
So schwarzweiß wie Heiner Brand sieht Bohmann das Thema "Deutschen-Quote" nicht. Allerdings wäre ihm im Gegensatz zur totalen Ablehnung des Bundestrainer-Vorschlags durch seine Arbeitgeber eine Modifizierung lieber gewesen, nämlich mit zwei "Pflichtdeutschen" anzufangen und in drei Jahren moderat zu steigern. "Beide Seiten haben gute Gründe," sagte Bohmann. Die Handballvereine seien Wirtschaftsunternehmen und neben rechtlich verbotenen Arbeitsbeschränkungen für EU-Ausländer sei nun mal der internationale Druck guter Spieler in die deutsche Liga stark. Die deutschen Spitzenspieler seien teuer (die Ablösesumme für Michael Kraus werde mit einer Million Euro gehandelt), und der Sprung für Jugendliche in die Bundesliga sei bei vielen preiswerteren Ausländern schwer zu schaffen, räumte Bohmann ein. Von der HBL werde "viel Geld in die Hand genommen, um einen wirtschaftlichen Unterbau zu schaffen, deutete Bohmann Überlegungen zu einer eingleisigen 2. Liga an.
Ob ein oder zwei Staffeln: "Eine Zweite Liga kann sich GWD nur im Notfall erlauben, wir wollen weiter Bundesliga spielen", sagte Horst Bredemeier. Dazu können sowohl die Sponsoren aus dem GWD-Pool und die Mannschaft um Trainer Ratka ihre Anteile beitragen.
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Copyright © Mindener Tageblatt 2007
Dokument erstellt am 08.05.2007 um 23:20:18 Uhr
Erscheinungsdatum 09.05.2007 | Ausgabe: MT